Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Arbeitgeber sollten ihre Beschäftigten daher auf noch nicht genommenen Urlaub regelmäßig hinweisen. Diese Konsequenz sollte aus einem Urteil des 9. Senat des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) aus dem Februar 2019 gezogen werden.
In dem vorliegenden Verfahren stritten die Parteien um die Abgeltung von Resturlaub aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer hatte für die Jahre 2012 und 2013 über Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen bei seinem Arbeitgeber keinen Antrag auf Gewährung von Urlaub gestellt und ihn bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Ende 2013 nicht genommen.
Der Arbeitgeber berief sich in der Folge darauf, der Urlaubsanspruch sei verfallen. Das Landesarbeitsgericht München (8 Sa 982/14) nahm an, der Urlaubsanspruch des Klägers sei zwar tatsächlich zum Jahresende 2013 verfallen. Der Kläger hätte aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.
Die Revision hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht München.
Nach bisheriger Rechtsprechung galt selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren, dass dieser verfällt, wenn er bis zum Jahresende nicht genommen wurde (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Allerdings konnte der Arbeitnehmer ggf. Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf die Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.
Diese Rechtsprechung hat das BAG modifiziert, auch um die Vorgaben der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C-684/16) umzusetzen.
Es bleibt weiterhin dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich auch keine Verpflichtung, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren.
Nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie der EU treffen die Mitgliedsstaaten jedoch „die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.“ Diese Regelung interpretierte der Europäische Gerichtshof nun dergestalt, dass der Arbeitgeber gehalten sei, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“.
Den Arbeitgeber trifft somit nunmehr die Verpflichtung, dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Will man § 7 BUrlG richtlinienkonform auslegen, kann der Verfall von Urlaub somit nicht mehr eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres (oder des Übertragungszeitraums) verfällt.