Hurra, laut einem Urteil gilt das KUG bei Fotografie trotz DSGVO doch weiter! Das hat das OLG Köln so entschieden!
Nein, hat es nicht. Auch wenn das viele Autoren schreiben, die die Entscheidung offenbar nicht gelesen haben. Warum die Entscheidung des OLG Köln in Sachen DSGVO leider gerade kein Patentrezept für die derzeitige Lage der Personen-Fotografie ist, erläutere ich im folgenden Beitrag.
KUG ist OK
Vorausgeschickt: Auch ich würde mir wünschen, dass alle im Bereich Personen-Fotografie einfach auf Basis des KUG weiter arbeiten könnten. Die Rechtsprechung hierzu ist ausdifferenziert, die Kriterien der Abwägung seit Jahrzehnten bekannt. Wir haben uns alle damit abgefunden und eingerichtet. Jeder wusste, was er zu tun und zu lassen hat. Ab und zu gab es eine neue bzw. überraschende Entscheidung, wie zum Beispiel bei Espen Eichhöfer und seinem Foto der Dame vor dem Bahnhof Zoo.
DSGV-Oh….
Jetzt haben wir plötzlich endlich die DSGVO und alle sind verunsichert. Was darf ich noch, muss ich jetzt, darf ich nicht mehr? Oder war gar alles irgendwie schon immer illegal? Zu diesen Unsicherheiten hat sicher auch ein Debatten-Beitrag von mir beigetragen. It´s the end of photography as we know it…and I don´t feel fine! schrieb ich damals. Das würde ich heute wohl nicht mehr so schreiben. Aber: Die meisten Unsicherheiten sind geblieben und trotz diverser Äußerungen von Ministerien etc. wurden viele der geäußerten Bedenken bestätigt. Die Unsicherheiten dauern an. Chilling Effects behindern die Personen-Fotografie, auch wenn die anlässlich dieser Chilling Effects plötzlich aus der Versenkung aufgetauchte Bundesdatenschutzbeauftragte Vosshoff lieber Kritikern Panikmache und Geschäftemacherei vorwirft.
Please don´t shoot the messenger
Nun reiben wir uns erstaunt die Augen, während Datenschützer uns erklären, dass das Bundesdatenschutzgesetz auch schon vor Inkrafttreten der DSGVO galt. Viele Sachen, die jetzt diskutiert werden, waren deshalb auch vorher schon problematisch, gerade im Bereich der Personen-Fotografie. Es habe sich nur bislang niemand darum geschert. – Das könnte sich m. E. jetzt ändern. Dieses „könnte“ steht natürlich unter Vorbehalt. Es muss sich nicht ändern, kann aber. Denn was wohl kaum jemand bestreiten wird ist, dass die Aufmerksamkeit sowohl der Bevölkerung als auch der Behörden „leicht“ angestiegen ist. Die von den Machern der DSGVO gewünschte Datenschutz-„Sensibilisierung“ der Bevölkerung ist eingetreten. Das mag man angesichts der weiter ansteigenden Benutzerzahlen von Facebook und der dort praktizierten, freigiebigen Datenverschleuderung ebenjener Bevölkerung für widersprüchlich halten. Wer derzeit häufiger Personen fotografiert, dürfte aber verstehen, was ich sagen will. Auch hört man von vielen Fällen, in denen sich Unternehmen schlicht nicht mehr trauen, Film – oder Fotomaterial zu verwenden oder von Datenschutz-Beauftragten, die Social Media-Auftritte von Museen etc. landesweit schließen lassen. Das sind diese Chilling Effects und schuld daran ist natürlich die SPD DSGVO. 😉
Chilling in effect
Zusammengefasst: Wir alle sehnen uns nach einer Klärung. Können wir das KUG weiter benutzen? – Der Gesetzgeber hätte dies klären können (Art. 85 DSGVO), hat er aber nicht. Damit werden wir bis auf Weiteres leben müssen. Während jedoch aus Angst vor wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen (die es nicht kaum gibt), sofort jahrzehntelang geltendes & gut funktionierendes Recht geändert werden soll, scheren sich die Zuständigen offenbar kaum um Sorgen und Nöte von Fotografinnen und Fotografen.
Endlich ein Urteil
Umso größer war die Erleichterung, als die Entscheidung des OLG Köln bekannt wurde. Hurra! KUG gilt doch! Alles wird gut! Der „Panikmache“r, Miesepeter und Rechtsberater in mir muss jedoch sagen: Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Warum?
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- Es ist schon kein Urteil, sondern ein (für dieses wichtige Thema recht kurzer) Beschluss. Dieser Beschluss erging, weil jemand das Rechtsmittel der Sofortigen Beschwerde (§ 567 ZPO) gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe eingelegt hatte. Offenbar wollte jemand (wegen eines Film-Beitrags) mit Prozesskostenhilfe (gegen den WDR) auf Unterlassung klagen. Das Landgericht Köln hatte dem wenig oder keine Erfolgschancen eingeräumt und deshalb die Prozesskostenhilfe verweigert.
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- Offenbar hatte der potentielle Kläger die DSGVO einfach als weitere Anspruchsgrundlage für seinen behaupteten Unterlassungsanspruch angeführt. Das LG Köln hatte dies mit Bezugnahme auf einen NJW-Artikel aus dem Jahre 2017 abgelehnt. Das OLG Köln konnte hieran nichts falsches finden und stimmte dem LG Köln zu. Nicht mehr und nicht weniger.
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- Sowohl die Ausgangs-Entscheidung des LG Köln, als auch der Beschluss des OLG Köln betreffen NUR die Nutzung zu journalistischen Zwecken durch ein klassisches Rundfunk-Medium (WDR). Dass das KUG für solche Zwecke schon wegen des Medienprivilegs weiter Anwendung finden soll, war schon vor der Entscheidung weitgehend unstreitig. Beide Gerichts-Entscheidungen treffen keine Aussage, dass das KUG auch für nicht-journalistische Zwecke weiter angewandt werden könne.
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- Das OLG Köln schreibt die „Fortgeltung“ des KUG im journalistischen Bereich sogar ausdrücklich in Anführungszeichen.
- [UPDATE 03.07.2018] Worauf mich Frau Rechtsanwältin Inge Seher noch hinweist (und was ich ihr noch vor dem Schreiben des Artikels gesagt habe): Selbst wenn das KUG „fortgelten“ sollte, regelt es nur die Zulässigkeit der Veröffentlichung einer Personen-Fotografie. Bereits die Anfertigung einer Personen-Fotografie fällt aber unter die DSGVO und ist damit in jedem Fall NICHT durch das KUG geregelt. Damit könnte die paradoxe Situation entstehen, dass eine Veröffentlichung einer Personen-Fotografie nach KUG zulässig wäre, das Foto aber wegen Verstoßes gegen die DSGVO niemals hätte angefertigt werden dürfen. Außerdem: Die umfangreichen Informationspflichten der DSGVO müssen BEI ANFERTIGUNG eingehalten werden, nicht bei Veröffentlichung, so dass dies weitere Fehlerquellen birgt.
- Der von LG & OLG Köln zitierte NJW-Aufsatz von Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057ff., fordert selbst Tätigwerden des Gesetzgebers bei Bildnisverwendung für nicht-journalistische Zwecke. Zwar kommt er zu dem Ergebnis, dass die §§ 22, 23 KUG aufgrund Art. 85 Abs. 2 DSGVO bei Veröffentlichung von Bildnissen für journalistische, wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke weiter angewendet werden könnten. Für die Bereiche Unternehmenskommunikation, Veröffentlichungen von Vereinen, Werbung oder gar rein privat motivierte Kommunikation sieht der Aufsatz eine Diskrepanz zwischen bisheriger, auch diese Bereich schützender Rechtsprechung und neuer Rechtslage. Zwar wäre ein Schutz über die Brücke des Art. 85 Abs. 1 DSGVO zu §§ 22, 23 KUG wünschenswert. Aber:
„Abschließend kann hierüber nur der EuGH entscheiden.“
(Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1062)
Fazit
Damit steht m. E. fest, dass der Beschluss des OLG Köln uns nur sagt, was wir irgendwie schon alle wussten: Für klassische Medien gilt das KUG weiter. Sehr wahrscheinlich und von uns allen gewünscht, gilt das KUG auch für wissenschaftliche und künstlerische Zwecke weiter. Aber was ist mit allen anderen Bereichen der Nutzung von Personen-Fotografie? Die Alternativen: Sich dem Klagerisiko aussetzen und bis zum EuGH gehen oder abwarten, bis jemand anderes den Kopf hinhält und erste Entscheidungen des EuGH vorliegen. Klingt für mich nach andauernden Chilling Effects. Aber vielleicht haben wir auch bald Business es usual und alles wird gut (- bis zur ePrivacy-Verordnung, spätestens dann reden wir weiter).
Fragen? Anmerkungen? Immer her damit!
IPCL Rieck & Partner Rechtsanwälte
„Sie schaffen – wir schützen.“