Was ist diese Panoramafreiheit & gilt die im Ausland?

Wahrscheinlich hat fast jeder von uns schon von ihr profitiert, ohne es zu wissen: Die Panoramafreiheit des § 59 UrhG. Viele Menschen überlegen vermutlich gar nicht mehr, bevor sie Fotos machen. Seit Kameras für die Allgemeinheit erschwinglich geworden sind, werden ständig Bilder von Personen, Straßenzügen, Häusern, Kunstwerken, Denkmälern, Statuen oder Silhouetten gemacht. Das gilt natürlich ganz besonders im Urlaub, wo man die schönen Erinnerungen festhalten möchte. Aber ist das auch erlaubt? Im Bereich der Personenfotografie dringt durch die DSGVO langsam ins kollektive Bewusstsein, dass Fotos von Personen rechtlich problematisch sein können. Aber wie ist das mit möglicherweise urheberrechtlich geschützten Gebäuden, Denkmälern, Kunstwerken an öffentlichen Plätzen etc.? Darf ich die einfach abfotografieren? Dafür erläutern wir im Folgenden die Panoramafreiheit des § 59 UrhG. Und in der Urlaubszeit noch wichtiger: Gilt die Panoramafreiheit auch im Ausland?

Was ist diese Panoramafreiheit?

Da ein Blick ins Gesetz bekanntlich bei der Rechtsfindung hilft, betrachten wir zunächst den § 59 UrhG. Keine Angst, so lang ist er nicht:

§ 59 UrhG – Werke an öffentlichen Plätzen

(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.

(2) Die Vervielfältigungen dürfen nicht an einem Bauwerk vorgenommen werden.

Motiv als geschütztes Werk?

Vorab ein Spoiler: Fotos von der „Umgebung“ können ebenso problematisch werden wie Personenfotografien. Möglicherweise geschützt werden diese Motive nicht vom Datenschutzrecht, sondern vom Urheberrecht – nämlich dann, wenn es sich um geschützte Werke im Sinne des Urheberrechts handelt.

§ 2 Abs. 2 UrhG definiert „Werke“ als „persönliche geistige Schöpfungen.“ Die Motive müssten also

  • von einem Menschen hergestellt worden sein (persönlich),
  • Ausdruck eines individuellen Geistes (geistig) und
  • Schöpfungshöhe aufweisen (Schöpfung).

Das erste Kriterium – Persönlichkeit – ist eine gute Nachricht für Landschaftsfotografen: Landschaften sind meist nicht menschengemacht und genießen daher keinen Schutz als Werke. Achtung: Auch Landschaften können menschengemacht sein, wie etwa große Gärten, Parks oder in die Landschaft eingebettete Kunstwerke, siehe die Gerichtsentscheidungen zu Schloss Sanssouci etc.

Das zweite Kriterium – Geistiger Gehalt – eliminiert aus dem Pool der menschengemachten Werke diejenigen, die unabsichtlich, zufällig oder rein mechanisch entstanden sind. Versehentlich fallengelassene Gegenstände, Trümmerberge oder durch ständige Benutzung entstandene Trampelpfade haben keinen geistigen Gehalt, weil sie nicht Ausdruck eines individuellen Geistes sind. Sie sind daher ebenfalls keine Werke. Doch auch hier muss man genauer hinschauen, denn alles, was rein zufällig entstanden sein kann, kann auch absichtlich entstanden sein.

Das dritte Kriterium – die Schöpfungshöhe – will schließlich nur denjenigen menschengemachten geistigen Ausdrücken auch Werkqualität zukommen lassen, die auch eine gewisse Kreativität aufweisen un düber das handwerklich Übliche hinausgehen. Nur solchen Werken soll ein Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz zukommen. Angesichts dessen, wie umfangreich die Rechte an den Werken sind, sobald ihnen Werkqualität zugebilligt wird, ist das ein notwendige Korrektiv, um nicht jeder Spur menschlichen Handelns ein Urheberrecht zuzugestehen.

Fotos von Werken – nur mit Einwilligung des Berechtigten?

Hat das gewünschte Fotomotiv nun also Werkqualität, so darf es nicht ohne weiteres vervielfältigt werden, § 16 UrhG. Dieses Recht steht allein dem Urheber zu. Dieser kann wiederum vertragliche Lizenzen vergeben, sodass der Vertragspartner das Werk vervielfältigen darf.

Etwas unintuitiv ist hier, dass ein Foto eines Werkes grundsätzlich auch als Vervielfältigung eines Werkes gesehen wird. Das leuchtet vielleicht noch am ehesten bei Bildern ein.

Fotografiert jemand die Mona Lisa, so erhält dieser bei hinreichend großem Ausdruck und guter Kameratechnik ein nahezu perfektes Duplikat des Bildes. Dass das eine Vervielfältigung ist, leuchtet ein. Aber auch wenn eine architektonisch beeindruckende Hauswand fotografiert wird, entsteht eine Vervielfältigung: schließlich hat es dann nicht mehr alleine der Architekt bzw. der Hauseigentümer in der Hand, wer das Werk sehen kann. Zwar kann auch die vorbeigehende Öffentlichkeit das Werk jederzeit sehen, doch könnte der Eigentümer das verhindern, indem er z.B. die Fassade abhängt. Ist sie dagegen auf Fotos festgehalten, kann er das nicht mehr.

Dennoch ist die Beeinträchtigung durch die Vervielfältigung natürlich geringer, weil auch ein Foto eines Hauses niemals dieselbe Wirkung haben wird wie das Haus selbst. Deshalb erlaubt zwar die Panoramafreiheit des § 59 UrhG die Aufnahme von Bildern mit mechanischen und technischen Mitteln. Der zweite Absatz des § 59 UrhG verbietet aber den direkten Nachbau von Gebäuden. Dies soll verhindern, dass findige Bauherren einfach Gebäude mit Schöpfungshöhe kopieren.

Grundsätzlich immer möglich ist es, einen Vertrag mit dem Urheber abzuschließen, um gegen Zahlung die Möglichkeit zur Vervielfältigung zu erhalten, eine sogenannte Lizenz. Das ist jedoch unpraktisch, gerade im Urlaub. Wer eine Stadttour macht, wird nicht vorher sämtliche potenziellen Urheber von Fotomotiven ausfindig machen wollen. Auch finden sich an Werken an öffentlichen Plätzen selten Hinweise auf Kontaktmöglichkeiten mit dem Urheber. Gäbe es die Panoramafreiheit nicht, müsste der Fotograf aber vor seinem Foto eine Lizenz abgeschlossen haben. Das ist unpraktisch und auch vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Sonderregel der Panoramafreiheit

Der Grundsatz im Urheberrecht ist, dass Vervielfältigungen eines Werkes nur mit vertraglicher Zustimmung des Urhebers möglich sind. Anders für Fotos und Filmaufnahmen. Hier gilt die Panoramafreiheit des § 59 UrhG, die für die bildliche Vervielfältigung von Werken, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden eine gesetzliche Grundlage gibt.

Sie knüpft an den oben genannten Aspekt an, dass die Beeinträchtigung durch Fotos z. B. bei Bauwerken in der Regel geringer ist, als wenn ein Bild abfotografiert wird. Zudem trägt sie der Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung: der öffentliche Raum ist für alle da, also dürfen auch alle darin frei Fotos machen, ohne ständig befürchten zu müssen, hierbei in fremde Rechte einzugreifen. Aber es gibt auch bei der Panoramafreiheit Grenzen.

Was ist davon umfasst?

Welche Motive genau werden nun also von der Panoramafreiheit umfasst? § 59 Abs. 1 UrhG nennt explizit „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden“. Das betrifft z.B. Straßen, Häuser, Statuen, Brunnen, Plätze und Parks.

Auch Street Art (aka Graffiti) ist davon erfasst. Zwar sind diese meist nicht bleibend – das liegt jedoch daran, dass sie vom Gebäudeeigentümer nicht gewollt sind und übermalt werden und nicht daran, dass die Künstler sie nicht dauerhaft präsentieren wollten. Die Ausnahme für nicht bleibende Werke greift jedoch nur für solche Werke, die die Künstler als vorübergehend präsentieren wollen. Deutlicher wird das in der entsprechenden europäischen Regelung, Art. 5 Abs. 3 lit. h InfoSoc-RL, in der es explizit heißt „die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden“.

Ein Beispiel für ein nicht-bleibendes Werk im öffentlichen Raum: Der von Christo verhüllte Reichstag, weil die Verhüllung nur 14 Tage andauerte. Hier entschied der BGH, dass die Panoramafreiheit nicht gelte, wohl auch um die Investitionen des Künstlers zu schützen.

Für die „Öffentlichkeit“ der Plätze ist es nicht maßgeblich, ob sich diese in Privateigentum oder Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Entscheidend ist, dass sie öffentlich zugänglich sind. Dazu gehört auch Privatgrund, bei dem zwar für die Öffentlichkeit der Zutritt untersagt ist, aber der öffentlich einsehbar ist. Auch ein Park oder Privatweg, der nachts geschlossen wird, ist grundsätzlich „öffentlich“, so lange er tagsüber für jedermann fei zugänglich ist.

Ein Beispiel für ein Werk, das dauerhaft an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen ist: Der AIDA-Kussmund auf den AIDA-Kreuzfahrtschiffen. Dies entschied der BGH in 2017. Das Kreuzfahrtunternehmen hatte argumentiert,  der AIDA-Kussmund befinde sich nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, da das jeweilige Schiff immer wieder den Standort wechsele. Dies beeindruckte den BGH nicht, da das Kunstwerk ja dennoch dauerhaft auf dem Schiff angebracht sei. Anderenfalls hätte man gerade im Innenstadtbereich auch nahezu nicht mehr fotografieren können, aus Angst, möglicherweise ein Fahrzeug mit einem Werk darauf (z. B. Linienbus mit Werbefotografie) im Hintergrund einzufangen. Das kann nicht gewollt sein.

Was ist nicht davon erfasst?

Nicht erfasst von der Panoramafreiheit sind Werke, die sich nur temporär an den genannten Orten befinden. Typisches Beispiel dafür ist eben der verhüllte Reichstag als Kunstwerk, siehe oben. Diese Kunstwerke sind meist besonders aufwändig gestaltet, sodass deren Urheber als schützenswerter gegenüber denen eingestuft werden, deren Werk dauerhaft Teil des öffentlichen Raumes ist. Diese Wertung ist nicht unkritisch zu betrachten, aber eindeutig durch das Gesetz vorgegeben. Auch würde es zweifelsohne Kreative in ihrem Schaffen einschränken, wenn sie ihre Investitionen in solche aufwändigen, temporären Kunstwerke nicht finanziell durch Lizenzvergabe und ähnliches refinanzieren könnten. Eine Verarmung der Kunstlandschaft wäre die Folge.

Ebensowenig erfasst die Panoramafreiheit das Innere dieser Bauwerke, § 59 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Das ist eigentlich schon denklogisch, da sich diese ja nicht mehr in öffentlichem Raum befinden. Nichtsdestoweniger ist die Klarstellung seitens des Gesetzgebers trotzdem begrüßenswert.

Schließlich ist auch nicht erfasst, was nicht mit normalen Mitteln von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen aus aufgenommen werden kann. So sind jegliche technischen Hilfsmittel, die die fotografische bzw. körperliche Reichweite vergrößern, wie

    • Leitern,
    • Drohnen
    • Selfie-Sticks
    • etc.

verboten, da die Aufnahme dann nicht mehr von der öffentlichen Straße aus erfolgt. Damit ist beispielsweise auch die Wohnung gegenüber tabu, wie der BGH anlässlich von Postern des Hundertwasser-Hauses feststellte. Achtung: Eine Teleobjektiv z. B. ist zulässig, so lange damit nicht in Gebäude hinein forografiert wird.

Update: Hier unser Link zu Teil 2: In welchen Ländern gilt die Panoramafeiheit?

EU-Regelung zur Panoramafreiheit?

Eine derartige Rechtslage schreit geradezu nach einer Vereinheitlichung durch den europäischen Gesetzgeber. Zum Glück für Fotografen sind Pläne, die Panoramafreiheit europaweit abzuschaffen, inzwischen vom Tisch, nachdem das europäische Parlament einen entsprechenden Gesetzesentwurf 2015 mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatte. Stattdessen wird nun in die sinnvollere Richtung gedacht, die Panoramafreiheit stattdessen europaweit einheitlich einzuführen.

(Autoren: Corinna Bernauer, Lars Rieck)

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