Markenrecht mit dem Urheberrecht aushebeln – geht das? Mehrere spektakuläre Fälle in letzter Zeit zeigen: Ja! Markenrecht & Urheberrecht können auf praxisrelevante Weise kollidieren. Was dann passiert und welches Recht mehr wiegt, ist aber nicht jedem bekannt. Solche Fälle drehen sich trotz ihrer meist völlig unterschiedlichen Sachverhalte im Wesentlichen um die gleichen Fragen. Grund genug also, die Kollision zwischen Markenrecht & Urheberrecht näher zu beleuchten.
Rechtelage geklärt – oder?
Sehr viele Unternehmen verwenden ein grafisches Logo als Marke. Doch oft ist nicht klar, dass mit der Anmeldung & Nutzung einer z. B. Bildmarke keineswegs zwingend endgültige Rechtssicherheit besteht. Mit der Markeninhaberschaft glaubt der Markeninhaber, z. B. alle anderen Marktteilnehmer von der Markennutzung ausschließen zu können. Wegen dieser Monopolstellung des Markeninhabers meldet man schließlich eine Marke an. Aber können wirklich immer Dritte von der Nutzung eines markenrechtlich geschützten Logos ausgeschlossen werden? Zum Einstieg soll folgender Sachverhalt (angelehnt an den Fall OLG Hamburg, Urteil vom 07.07.2016 – 5 U 23/16) das Praxisproblem verdeutlichen:
Der Fall „Krake“
Restaurant A gibt bei einem Künstler die Erstellung eines Markenlogos in Form eines realgetreu gezeichneten Kraken in Auftrag. Das Logo wird vom Restaurant A sodann als Bildmarke angemeldet und genutzt. Wenig später stellt Restaurant A den Betrieb ein.
Restaurant B eröffnet nun in denselben Räumlichkeiten, erwirbt beim Künstler die ausschließlichen Nutzungsrechte am Logo und verwendet dieses sodann.
Wenig später erwirkt der Inhaber des ehemaligen Restaurants A gegen Restaurant B eine einstweilige Verfügung wegen rechtswidriger Nutzung der immer noch auf den Inhaber des Restaurant A wirksam angemeldeten Bildmarke. Restaurant B hält die Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte seitens des Erstellers des Logos entgegen.
Es stellt sich also die Frage, wer das „stärkere“ Recht auf seiner Seite hat – der Inhaber einer eingetragenen Bildmarke oder deren Urheber bzw. derjenige, der im urheberrechtlichen Sinne ausschließliche Nutzungsrechte am Logo erworben hat.
Wer hat das „bessere“ Recht?
Es gilt hier folgendes: Sofern ein Logo bzw. die diesem Logo zugrundeliegende Grafik einen urheberrechtlichen Schutz genießt, ist dieses ältere Recht i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegenüber der eingetragenen Marke vorranging.
Das Urheberrecht ist stets das ältere Recht, da es bereits automatisch bei der Schöpfung eines Werkes entsteht. Es muss, anders als jedenfalls das Recht an einer eingetragenen Marke, nicht angemeldet werden um Schutzwirkung zu entfalten. Ausnahmen für nicht angemeldete Benutzungsmarken wollen wir hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht näher erläutern.
Unterschiedlicher Schutzzweck
Sinn und Zweck des Markenschutzes ist insbesondere der Schutz vor Verwechslungen & Nachahmern. Er greift also vorrangig bei Benutzung für Produkte, die den durch die eingetragene Marke geschützten Produkten identisch oder ähnlich sind. Weder schützt das Markenrecht die Verwendung einer Marke in einem anderen Kontext, also beispielsweise irgendwelche Verwendungsformen in der Kunst, noch schützt es nach Anmeldung der Marke bedingungslos & für alle Zeiten. So besteht z. B. nach Ablauf von 5 Jahren nach der Anmeldung ein so genannter Benutzungszwang. Wird die Marke nicht für die geschützten Klassen am Markt genutzt, kann jedermann eine teilweise oder sogar vollständige Löschung der Marke bewirken. Allerdings kann das Markenrecht (Benutzung vorausgesetzt) alle 10 Jahre und beliebig oft verlängert werden. Markenrecht ist also grundsätzlich unendlich lang möglich.
Unterschiedlicher Schutzumfang
Das Urheberrecht hingegen soll in erster Linie dem Urheber ein Auskommen verschaffen. Auch definiert es die Beziehung des Urhebers zu seinem Werk. Dies geht so weit, dass es sogar spezifische Urheberpersönlichkeitsrechte gibt, die der Urheber nicht abgeben kann. Vergleichbares ist im Markenrecht nicht existent. Das Urheberrecht schützt das Werk auch umfassender & völlig unabhängig davon, ob es in irgendeiner Form genutzt wird. Der Schutz ist lang, allerdings zwingend zeitlich begrenzt. Es dauert bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (Ausnahme Lichtbilder: 50 Jahre nach Veröffentlichung).
Steht der Nutzer eines als Bildmarke angemeldeten Logos also auf verlorenem Posten, wenn er sich vom Urheber des Logos nicht ausschließliche Nutzungsrechte einräumen ließ?
Nicht zwingend. Es gilt, ein entscheidendes Kriterium zu beachten: Nicht jedes im Rahmen eines Auftrags erstellte grafische Element stellt zwingend ein Werk dar, das urheberechtlichen Schutz genießt. Erst das Vorliegen von ausreichender Schöpfungshöhe entscheidet darüber, ob ein Werk eine gewisse Schwelle der Originalität überschreitet oder im urheberrechtlichen Sinne nicht geschützt ist.
Schöpfungshöhe?
Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) war an die Schöpfungshöhe bei Gebrauchskunst oder bei Werken, die zum Beispiel, weil sie im Rahmen einer Auftragsarbeit entstehen, zweckgebunden sind, ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Ein urheberrechtlicher Schutz war nach damaliger Sicht der Richter nur in Ausnahmefällen zu bejahen, wenn das Werk eine besondere Individualität erkennen ließ. Man war der Auffassung, dass der Schutz dieser Werke nach dem damaligen Geschmacksmusterrecht ausreiche und ein doppelter Schutz basierend auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen nicht notwendig, vielmehr überflüssig sei.
Es erhält Einfahrt: Der Geburtstagszug
Im Jahr 2014 wurde das Geschmacksmustergesetz zum Designgesetz reformiert und infolgedessen passte auch der BGH schließlich seine Rechtsprechung an. Im wegweisenden Geburtstagszug-Urteil vom 13. November 2013 (Az. I ZR 143/12), in dessen zugrundeliegendem Sachverhalt es um die Rechte an grafischen Entwürfen für eine Tischdekoration ging, entschied der 1. Zivilsenat:
An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen.
BGH, Urteil v. 13.11.2013, Az. I ZR 143/12 – Geburtstagszug
Diese Richtungsänderung begründete der BGH damit, dass durch die Reform des Geschmacksmusterrechts der enge Bezug desselben zum Urheberrecht beseitigt worden sei. Es handele sich dabei nach der Neugestaltung gerade nicht mehr um ein „kleines Urheberrecht“, sondern um ein vollkommen eigenständiges Rechtsgebiet. Dessen abweichende Schutzrichtung werde darin deutlich, dass der Schutz als Geschmacksmuster nun nicht mehr die Gestaltungshöhe, sondern die Eigenart und damit die Unterschiedlichkeit des Musters voraussetzt. Designrecht und Urheberrecht sind seit der Reform im Jahr 2014 also wesensverschieden. Sie können nunmehr nebeneinander stehen.
Was bedeutet das für die Beurteilung?
Nach der neuen BGH-Rechtsprechung erreicht nun auch ein im Auftrag erstelltes Markenlogo genauso wie jedes andere Werk der bildenden Kunst die für den urheberrechtlichen Schutz notwendige Schöpfungshöhe, wenn die Grafik eine bestimmte Individualität und Originalität erkennen lässt.
Dies kann im Fall von Logos manchmal jedoch zweifelhaft sein, wenn deren Design zum Beispiel nicht vollständig dem Kopf des Erstellers entspringt, sondern sich z. B. vom Gebrauchszweck zwangläufig ableitet. Der BGH führt in der bereits genannten Entscheidung dazu folgendes aus:
Bei der Beurteilung, ob ein Werk der angewandten Kunst die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, ist zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt.
BGH aaO.
Der BGH setzt also voraus, dass ein entsprechendes Werk über seine
„von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt.“
BGH aaO.
Der Fall „Autoradio“
Ein ganz aktuelles Beispiel zur Verdeutlichung: Ein Markenlogo für einen Hersteller von Fahrzeug-Audioprodukten, welches sich aus dem englischen Wort „match“, bestehend aus einem Schrifttyp in Standardfarbe aus einer öffentlich zugänglichen Schrifttypensammlung, sowie einem diesem Wort vorangestellten sog. „fast forward“-Symbol (also zwei direkt aufeinanderfolgende nach rechts zeigende Dreiecke) zusammenstellt, genießt keinen Urheberrechtsschutz, da die Gestaltung lediglich aus einem im Audiobereich allgemein bekannten Symbol sowie der englischen Übersetzung für „zusammenfügen“ besteht (so OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.06.2019, Az. 11 U 51/18).
Die ästhetische Wirkung der Gestaltung ist hier also – legt man den Maßstab des BGH zugrunde – dem Gebrauchszweck geschuldet und nicht Ergebnis einer besonderen künstlerischen Leistung.
Zusammenfassung:
Es ist Unternehmen, die die Gestaltung eines Logos, das als Marke angemeldet & verwendet werden soll, in Auftrag geben, dringend anzuraten, sich vom Urheber des Logos unbedingt sämtliche Nutzungsrechte exklusiv abtreten zu lassen. Nur so kann – vorausgesetzt, die Grafik erreicht eine Schöpfungshöhe – verhindert werden, dass der Ersteller der Grafik später im Alleingang Dritten ausschließliche Nutzungsrechte verschafft. Diese Dritten wären sonst in der Lage, das Markenrecht durch Lizenzierung auszuhebeln, die möglicherweise bereits seit Jahren erfolgreich genutzte Marke löschen zu lassen oder gar im schlimmsten Fall selbst zu führen.
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(Autor: Michael Bayer mit Lars Rieck)