Redezeitbegrenzungen in Vereinen

Das grenzenlose Mitteilungs- und Diskussionsbedürfnis von – manchmal auch nur einzelnen -Vereinsmitgliedern ist dazu geeignet, jede Mitgliederversammlung in die Länge zu ziehen und ihre Abläufe empfindlich zu stören.

In Versammlungen wird daher oft zum Mittel der Redezeitbegrenzung gegriffen.

Hierbei sollten Vorstand und Mitgliederversammlung aber mit Bedacht vorgehen, eine Begrenzung der Redezeit und Redelisten müssen begründet, Tatsachen dokumentiert werden, sonst verweigert das Registergericht möglicherweise die Eintragung von Beschlüssen (Vorstandswahlen oder Satzungsänderungen) in das Vereinsregister, weil es die gefassten Beschlüsse für nichtig hält.

Diese Erfahrung musste u.a. ein eingetragener Verein in Berlin mit dem Amtsgericht Charlottenburg und dem Kammergericht (3.12.2019, 22 W 92/17) machen.

Der Vereinsvorstand meldete 2017 in notarieller Form beim Amtsgericht Charlottenburg eine, auf der Mitgliederversammlung im Jahr 2016 beschlossene Satzungsänderungen zur Eintragung in das Vereinsregister an. Der Einladung zur Mitgliederversammlung war ein Begleitschreiben des Vorstands beigefügt, in dem dieser vorschlug, die Redezeit für alle Teilnehmer zu begrenzen, da ansonsten der Zeitrahmen gesprengt würde und nach Abstimmung über die Tagesordnungspunkte Top 1-32 noch eine Zusammenkunft der Mitglieder der Delegiertenversammlung stattfinde.

Um beiden Teilen der Versammlung angemessen viel Zeit zur Verfügung stellen zu können, bedürfe es im ersten Teil einer konzentrierten Arbeit. Es sollten daher Redezeitbeschränkungen beschlossen werden, um den Zeitrahmen überschaubar zu halten.

Zu Beginn der Mitgliederversammlung wurde eine Redeliste ausgelegt und es fand sodann eine Abstimmung über die Redezeit statt, wobei der Vorschlag, das Rederecht für alle auf zwei Minuten zu verkürzen, abgelehnt wurde. Mit 11 Gegenstimmen wurde sodann beschlossen, das Rederecht auf eine Minute zu begrenzen. Weiter wurde bei 22 Gegenstimmen beschlossen, dass die Rednerliste nunmehr geschlossen sei und nicht erweitert werden dürfe.

Mit Verfügung vom 28. Juni 2017 hat das Amtsgericht die beantragte Eintragung der beschlossenen Satzungsänderungen abgelehnt, da der gefasste Beschluss aufgrund der beschlossenen Redezeitbegrenzungen auf eine Minute sowie dem Erfordernis des Eintrags in Rednerlisten vor Versammlungsbeginn unwirksam sei.

Durch die Beschränkung des Rederechts auf die Personengruppe der Redeliste sei das Teilnahmerecht der vom Rederecht ausgeschlossenen Vereinsmitglieder verletzt.

Gleiches gelte für die Redezeitbeschränkung auf eine Minute. Eine objektive Begründung habe nicht vorgelegen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Teilnehmer der Mitgliederversammlung aufgrund eines längeren oder weiteren Redebeitrags ein anderes Abstimmungsergebnis gewählt hätten.

Der Vereinsvorstand wandte sich hiergegen mit dem Argument, dass keinem Mitglied die Teilnahme an der Mitgliederversammlung verwehrt worden sei. Die Beschränkung des Rederechts sei aufgrund der sehr umfangreichen Tagesordnung mit 32 Tagesordnungspunkten erfolgt. Es habe die Möglichkeit bestanden, sich auch mehrmals in die Rednerliste zu einem Tagesordnungspunkt einzutragen, wovon aber kein Gebrauch gemacht worden sei.

Das Amtsgericht wies daraufhin per Beschluss die Anmeldung der Satzungsänderung vom 01. Juni 2017 unter Hinweis auf die Nichtigkeit der gefassten Satzungsänderungsbeschlüsse zurück, da die Redezeitbegrenzung nicht objektiv begründet werden könne. Die zunächst erfolgte Abstimmung über eine Redezeitbegrenzung auf zwei Minuten zeige, dass die höchstzumutbare Zeit nicht ausgeschöpft worden sei. Es sei auch nicht dargelegt, warum nicht zunächst der Verlauf der Versammlung hätte abgewartet werden können, um im Verlauf über eine Redezeitbegrenzung zu entscheiden.

Einer hiergegen erhobenen Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab und legte die Angelegenheit dem  KammergerichtBerlin (Oberlandesgericht) zur Entscheidung vor. Hier vermochte der Vereinsvorstand ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Beschwerde sei zwar, so das Kammergericht, form- und fristgerecht (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG) eingelegte und gemäß § 65 FamFG mit einer Beschwerdebegründung versehen, der Verein auch beschwerdeberechtigt ( § 59 Abs. 2 FamFG, vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2012, 14 Wx 21/11, juris Rdn. 15), die zulässige Beschwerde hatte aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hätte zu Recht die Eintragung der angemeldeten Satzungsänderung in das Vereinsregister abgelehnt. Die Beschlüsse zur Satzungsänderung seien wegen der beschlossenen Redezeitbeschränkung auf eine Minute nichtig. Es sei nicht festzustellen, dass die damit verbundene Verletzung des Teilnahmerechts der Mitglieder ohne Relevanz geblieben ist. Dem Antrag auf Anmeldung zum Vereinsregister war somit gem. §§ 67, 71 i. V. m. § 60 i. V. m. §§ 56-59 BGB nicht zu entsprechen.

Im Rahmen der Eintragung von Satzungsänderungen eingetragener Vereine hat das Registergericht das gesetz- und satzungsmäßige (§ 40 BGB) Zustandekommen des Änderungsbeschlusses wie auch seine inhaltliche Zulässigkeit zu prüfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. November 2009, I-3 W 232/09, juris Rdn. 17).Die Nichtigkeit ist dabei von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn sie für das Registergericht erkennbar ist.

Einer Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage durch ein Vereinsmitglied bedarf es insoweit nicht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19. Dezember 2001, 3 W 272/01, juris Rdn. 10; Staudinger/Schwennicke (2019), § 32 BGB, Rdn. 160 m.w.N.).

Die Beschlüsse zur Satzungsänderung wurden hier, so dass Kammergericht in seinen Ausführungen, unter Verstoß gegen das Teilnahmerecht der Mitglieder gefasst. Dieses umfasst neben der körperlichen Anwesenheit auch das Rederecht und richtet sich auf die Abgabe eines oder mehrerer Redebeiträge vor der Versammlung zu dem jeweils aufgerufenen Gegenstand der Tagesordnung (OLG Brandenburg, Urteil vom 03. Juli 2012, 11 U 174/17, juris Rdn. 78). Durch die Beschränkung der Redezeit auf eine Minute pro Tagesordnungspunkt ist das Rederecht der Mitglieder nicht unerheblich verletzt. Grundsätzlich muss sich die (Mitglieder-)versammlung der sachgemäßen Erörterung der Gegenstände der Tagesordnung unterziehen und die dafür und die dagegensprechenden Argumente der einzelnen Mitglieder anhören. Die Beschränkung der Redezeiten ist nur dann zulässig, wenn ein Bedürfnis nach einer solchen Regelung besteht und diese so ausgestaltet ist, dass sie das Interesse der Mitglieder an einer zügigen und effektiven Durchführung der Versammlung einerseits und das Teilhaberecht der Rede auf der Versammlung andererseits angemessen zum Ausgleich bringt. Voraussetzung für redezeitbeschränkende Maßnahmen ist die objektive Gefährdung zwingender zeitlicher Grenzen der Versammlung, der bloße Wunsch nach einer zügigen Versammlung ist nicht ausreichend (LG Köln, Urteil vom 06. Juli 2005, 82 O 150/04, juris Rdn. 124 m.w.N.). Im konkreten Fall fehlten dem Gericht konkreten Anhaltspunkte für lange oder zahlreiche Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung, die eine generelle Beschränkung der Redezeit auf nur eine Minute hätten rechtfertigen könnten. Die Mitgliederversammlung bestand aus 95 Teilnehmern. Bei einer solchen Anzahl ist eine Redezeitbegrenzung nicht offenkundig überflüssig. Die Tagesordnung war mit 32 Punkten auch nicht so kurz, dass sie eine überlange Versammlungsdauer jedenfalls nicht befürchten ließ. Das Interesse der Mitglieder an einer zügigen Durchführung der Versammlung sei letztlich auch Ausdruck ihres Teilnahmerechts. Zahlreiche Wortmeldungen zu Beginn der Versammlung waren weder protokolliert noch vorgetragen. Auch sei nicht ersichtlich, dass die ausliegende Redeliste sehr voll gewesen und damit umfangreiche Erörterungen konkret zu erwarten gewesen wären. Das Rederecht der Mitglieder sei nicht unerheblich eingeschränkt worden, in einer Minute eine Auffassung zu einer bestimmten Frage darzulegen, stelle selbst geübte Redner vor eine Herausforderung, eine solche Redezeit stelle sich hier als unangemessen kurz und damit unzulässig dar (vgl. zum AktG, BGH, Urteil vom 11. November 1965, II ZR 122/63, https://www.prinz.law/urteile/bgh/II_ZR_122-63), zumal der Vereinsvorstand nicht darlegen konnte, dass vorliegend eine weniger einschneidende Beschränkung nicht auch zur Durchführung der Versammlung in zumutbarer Zeit geführt hätte. Die Verletzung des Teilhaberechts führt hier auch zur Nichtigkeit der Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Ein Verfahrensfehler führt immer dann zur Nichtigkeit, wenn der Fehler als relevant für die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendendes Vereinsmitglied ist. Maßgebend ist, ob ein Legitimationsdefizit besteht, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Feststellung der Unwirksamkeit rechtfertigt (BGH, Urteil vom 02. Juli 2007, II ZR 111/05, juris Rdn. 44). Die Beschränkung der Redezeit berührt unmittelbar das grundlegende Mitgliedschaftsrecht auf Teilhabe und Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Versammlung. Die Relevanzschwelle ist damit überschritten. Auf Kausalitätserwägungen kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004, II ZR 250/02, juris, Rdn. 14). Die Willensbildung zur Entscheidung über Beschlussfassungen dient nicht nur dem Schutz der einzelnen Mitglieder, sondern den übergeordneten Interessen des Vereins (OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2008, 31 Wx 78/07, juris Rdn. 30). Es kommt daher auch nicht auf einen etwaigen Widerspruch eines in seinen Rechten verletzten Mitglieds an (so Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 32 Rdn. 10 m.w.N.).

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