Corona: Dürfen Arbeitgeber die Nutzung einer Check-In-App vorschreiben?

Die Nutzung der Corona-Warn-App ist für jeden Menschen freiwillig. Das heißt sowohl die Einrichtung der App auf einem Gerät als auch die Weitergabe der Warnung, die durch die App generiert wird, kann jede und jeder freiwillig entscheiden.

Die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder (DSK) stellte am 16. Juni 2020 zur Einführung der App fest, dass „…der Grundsatz der Freiwilligkeit nicht durch eine zweckentfremdende Nutzung untergraben werden darf. Der Zugang zu behördlichen Einrichtungen, Arbeitsstätten, Handelsgeschäften, Gastronomiebetrieben und Beherbergungsstätten, Sportstätten etc. darf nicht vom Vorweisen der App abhängig gemacht werden. Hierbei würde es sich um eine zweckwidrige Verwendung handeln, die bereits mit dem Konzept der Freiwilligkeit nicht vereinbar ist. Eine Diskriminierung von Personen, die die App nicht anwenden ist auszuschließen.“

Corona-Virus

Arbeitsverhältnis

Dies gilt auch für das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber darf die Nutzung der App im Arbeitsverhältnis nicht verpflichtend anordnen. Dies gilt sowohl für Dienstgeräte als auch für private Geräte der Beschäftigten. Die Nutzung darf nicht verpflichtend angeordnet werden. Arbeitnehmer dürfen erst recht nicht dazu verpflichtet werden, die App in der Freizeit zu nutzen. Dies ergibt sich daraus, dass sich das Weisungsrecht des Arbeitsgebers nicht auf die Freizeit beziehen kann, sondern nur auf das Arbeitsverhältnis. Für den Bereich der privaten Lebensführung der Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber nicht zuständig.

Grundsätzlich könnte darüber nachgedacht werden, ob auf vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Geräten dieser die Installation von bestimmten Apps/Programmen vorgeben darf. Die verpflichtende Nutzung dieser Apps wäre dann aber wieder eine andere Frage.

Hierfür müsste die Maßnahme für den Zweck (Infektionsschutz) geeignet und erforderlich sein und die Maßnahme müsste verhältnismäßig sein. Erforderlich könnte die Einführung einer Nutzungspflicht der Corona-Warn-App also beispielsweise sein, wenn eine unerkannte Infektion alle Kontakte des Unternehmens gefährden würde, Mitarbeiter mit vielen Kollegen und/oder Kunden Kontakt haben oder ein Betrieb von Risikogruppen frequentiert wird. Dies wäre beispielsweise bei Mitarbeitern in Supermärkten oder in Altenheimen denkbar. Da die Corona-Warn-App eine pseudonyme Möglichkeit zur Kontaktnachverfolgung bietet und hohe Datenschutzstandards aufweist, stellt die Corona-Warn-App eine datensparsame Alternative dar. Aber selbst wenn man hier dem Arbeitgeber die Befugnis zugestehen will, die App nicht nur zu installieren, sondern auch zu benutzen, gilt diese Befugnis jedenfalls nur für das Arbeitsverhältnis und nicht für den privaten Bereich. Damit ist aber der Nutzen und damit die Eignung der App stark eingeschränkt. 

Eine Pflicht zur Installation und Nutzung der App könnte also höchstens während der Arbeitszeit und auf einem Dienstgerät in Betracht gezogen werden. Rechtlich ist nicht geklärt, ob Arbeitgeber eine solche Pflicht einführen und durchsetzen könnten. Unklar wäre auch, was es für Folgen hätte, wenn Arbeitnehmer sich nicht an eine solche Weisung halten würden. Auch wenn die Interessenabwägung im Einzelfall zugunsten einer Pflicht ausfallen würde, sind die rechtlichen Hürden für die Einführung einer Nutzungspflicht sehr hoch und von Arbeitgebern schwer einzuordnen. Deshalb kann generell eine Befugnis des Arbeitgebers, die Nutzung der App vorzuschreiben, nicht angenommen werden.

Warnung durch die App

Wenn die Corona-Warn-App mitteilt, dass ein Kontakt stattgefunden hat, stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer dann zuhause bleiben müssen, bzw. dürfen. Eine Verpflichtung zur Selbstisolation besteht erst dann, wenn dies von der zuständigen Behörde angeordnet wurde. Die Benachrichtigung der Corona-Warn-App informiert lediglich über ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die App empfiehlt dann ein Kontakt zum Hausarzt, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117 oder dem Gesundheitsamt aufzunehmen. Dort sollten Sie die weitere Vorgehensweise und die Testung klären.

Da es sich hierbei nur um eine Empfehlung durch die App handelt, können Arbeitgeber das Vorgehen bei einem Warnhinweis der App anordnen. Zum Schutz der anderen Mitarbeiter können Arbeitgeber anweisen, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer in Isolation begeben, auch wenn noch keine behördliche Anweisung vorliegt. Zu beachten ist dabei, dass bis zur behördlichen Anweisung der Arbeitgeber das Lohnfortzahlungsrisiko trägt.

Arbeitspflicht und Lohnausfall

Die Frage der Arbeitspflicht und des Lohnausfalls bei einer Warnung durch die Corona-Warn-App ist bislang umstritten und rechtlich nicht eindeutig geklärt. Fraglich ist, ob die bloße Warnung durch die App dazu berechtigt, der Arbeit fernzubleiben und ob sie dazu führt, dass der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen muss. Es könnte sich um einen Fall eines sogenannten persönlichen Verhinderungsgrundes nach § 616 BGB handeln, bei dem der Arbeitgeber den Lohn fortzahlen muss. Dies ist aber umstritten. Außerdem ist diese Vorschrift in vielen Arbeitsverträgen bzw. Tarifverträgen ausgeschlossen. Im Falle der bloßen Warnung durch die App liegt auch kein Fall der Arbeitsunfähigkeit vor. Eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz greift auch noch nicht, weil eine Quarantäne noch nicht angeordnet wurde.

Datenschutz

Die Corona-Warn-App speichert sogenannte IDs von Ihren Kontakten dezentral, also nur auf dem Endgerät. Es werden dabei keine Standortdaten oder Kontaktdaten auf einem zentralen Server gespeichert. Für die Aktivierung der App muss jedoch auf einigen Geräten der Standortzugriff freigeschaltet werden. Dies könnte dazu führen, dass auf die Standortabfrage durch andere Apps zugegriffen werden könnte.

Corona-Warn-App und Betriebsvereinbarung

Die Freiwilligkeit der Nutzung der Corona-Warn-App kann nicht durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ausgehebelt werden. Es ist demnach davon auszugehen, dass eine Betriebsvereinbarung lediglich Rahmenbedingungen für die freiwillige Nutzung der App vereinbaren, aber nicht zur Nutzung der App verpflichten kann.

Check-In-Funktion der Corona-Warn-App

Die Corona-Warn-App des Bundes ist nun um eine Check-In-Funktion erweitert worden. Mit der Funktion sollen vor allem risikoreiche Begegnungen von Menschen in Innenräumen besser erfasst werden. Die App erfasst bisher nur Kontakte mit Personen, die sich für längere Zeit in einem Abstand von zwei Metern oder weniger befunden haben als Risikokontakte. Für die Nachverfolgung von Infektionsketten stellte sich jedoch heraus, dass dies nicht ausreicht. In geschlossenen Räumen verbreiten sich die gefährlichen Luftpartikel nämlich auch über größere Entfernungen hinweg. Mittlerweile ist bekannt, dass Aerosole, die von Infizierten ausgeatmet werden, auch dann noch eine Zeit lang in einer gefährlichen Konzentration vorhanden sind, wenn die Person den Raum bereits verlassen hat. Dem soll nun die neue Funktion entgegenwirken. Durch das Einscannen eines QR-Codes kann nun „eingecheckt“ werden und damit die Erkennung von „Clustern“ in Räumen ermöglicht werden. In der App kann dazu eine Grafik für private Treffen erstellt und ausgedruckt werden.

Check-In-Funktion im Arbeitsverhältnis

Die neue Funktion lässt sich gut nutzen, um am Arbeitsplatz Begegnungen besser nachvollziehen zu können und bei Auftreten von Infektionen effektiver reagieren zu können. Für Betriebe können damit tagesaktuell Kontakte besser nachvollzogen werden. Die Check-In-Funktion der Corona-Warn-App ist jedoch, genauso wie die App ohne die Funktion für alle freiwillig und damit auch für Arbeitnehmer. Arbeitgeber können die Corona-Warn-App und damit auch diese Funktion nicht verpflichtend anordnen.

Hinzu kommt, dass Check-Ín-Apps, wie z.B. auch die Luca-App auch nicht von Geschäften für Kunden verpflichtend vorgegeben werden können. Die Corona-Schutzverordnungen der Länder, die die Regelungen zur Kontaktverfolgung in privaten Betrieben enthalten, sehen entweder keine Regelungen zu einer elektronischen Datenerfassung vor oder sehen die elektronische Datenerfassung allenfalls als zusätzliches Mittel zur Erfassung der Daten auf Papier. Hier steht aus, ob Corona-Verordnungen zukünftig entsprechend angepasst werden.

Andererseits könnte die Funktion der App die Eignung zum Zwecke des Infektionsschutz erhöhen und damit die oben beschriebene Interessenabwägung stärker zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen lassen. Da die App aber gerade erst eingeführt wurde, ist offen, ob sie die versprochenen Ziele im Hinblick auf das COVID-19-Virus erreicht.

Patricia Hauto LL.M.
Rechtsanwältin

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