Droht beim Nähen von Mundschutz tatsächlich eine Abmahnung?
„Mundschutz-Bastlern droht Abmahnung!“ So berichten derzeit viele Medien aufgeregt, vom Mimikama.at über „Volksverpetzer“ bis n-tv. Sie alle beziehen sich jedoch offenbar auf einen einzigen Social Media-Post des Würzburger Rechtsanwalts Chan-jo Jun. Seitdem sind private Näherinnen und Mundschutz-Bastler in Panik. Landesweit wird insbesondere in Sozialen Medien über „gierige Abmahnanwälte“ geschimpft. Freundliche Helferlein würden angeblich bedroht & mit Schadensersatzforderungen überzogen. Bilder von „Anwälten“ & an ihnen ausgelebten Tötungsphantasien machen die Runde.
Aber gibt es solche Mundschutz-Abmahnungen überhaupt?
Zurück zu dem Würzburger Anwalt Jun. Der Wortlaut seines Posts sollte genau betrachtet werden. Denn er behauptet nicht einmal, dass es solche Abmahnungen tatsächlich gebe. Jun selbst berichtet im Grunde lediglich darüber, dass andere Anwälte über mögliche Abmahnrisiken bei der Bewerbung von Atemschutzmasken bzw. Mundschutz aufgeklärt hätten. Dabei gibt er ihnen sogar Recht und schreibt, dass die Anwälte „formaljuristisch zu Recht“ warnten. Allerdings behauptet er im übernächsten Satz: „Jetzt traut sich keiner mehr, Masken zu nähen und weiterzugeben“. Warum, bleibt offen. Medienwirksam ist es allemal.
Keine einzige bekannte Abmahnung
Vermutlich bezieht Kollege Jun sich auf einen wenige Tage älteren Artikel der IT-Recht-Kanzlei aus München. Auch diese Kanzlei erwähnt aber keine einzige, real existierende Abmahnung. Vielmehr informiert sie ausführlich über die auch m. E. real existierende Abmahngefahr bei der falschen gewerblichen Bewerbung von Medizinprodukten wie Atemschutzmasken.
Es gab bisher lediglich die Andeutung einer Abmahnung auf einem mittlerweile deaktivierten Twitteraccout.
Was es bei der Herstellung und dem Verkauf von Schutzmasken zu beachten gibt, haben wir im Folgenden zusammengefasst:
Was ist zu beachten bei dem Vertrieb von selbstangefertigten Atemschutzmasken?
Seit nunmehr einigen Wochen verfolgt uns auch in Deutschland die Corona-Pandemie. Viele Teile der Bevölkerung decken sich daher zum einen mit ausreichend Lebensmittel ein, um möglichst vorbereitet zu sein, falls sie das Virus trifft, aber auch, um die eigenen vier Wände nicht so häufig verlassen zu müssen. Zum anderen werden auch Artikel der medizinischen Versorgung für die Bevölkerung relevant. Dahingehend ergibt sich eine höhere Nachfrage z.B. bei Einweghandschuhen und Atemschutzmasken, um sich persönlich gegen das Virus schützen zu können.
Schutzfunktion?
Aber inwiefern kann man sich vor dem Virus mit einer Atemschutzmaske schützen? Prinzipiell dient eine solche Atemschutzmaske dem Zweck, dass bereits infizierte Personen verhindern können, die Erreger via Tröpfcheninfektion an Dritte zu übertragen. Daher ist die Bedeckung der Nase und des Mundes durch die Atemschutzmaske sinnvoll. Zwar kann sich das Virus auch durch andere Körperschleimhäute verbreiten, jedoch ist durch das Tragen der Atemschutzmaske das Risiko ein wenig eingedämmt. Demnach ist das Tragen einer Atemschutzmaske für eine gesunde Person wenig relevant. Entgegen dieser Einschätzung sind große Teile der Bevölkerung daran interessiert, eine Schutzmaske für ihr eigenes Sicherheitsgefühl zu besitzen und zu tragen.
Mundschutz-Pflicht?
In unserem Nachbarland Österreich trat kürzlich die Anordnung in Kraft, dass in jedem Supermarkt die Pflicht besteht, eine Atemschutzmaske zu tragen. Diese werden in den Supermärkten an jeden Kunden verteilt. Auch denkt man darüber nach, die Atemschutzmaskenpflicht dahingehend zu erweitern, diese bei jeglichem Verlassen der eigenen vier Wände tragen zu müssen. Lustigerweise bestehen damit quasi Mundschutzpflicht & Vermummungsverbot in der Öffentlichkeit gleichzeitig in Österreich.
Deutschland zögert
Bei uns in Deutschland besteht eine solche Pflicht jedoch noch nicht. Die Stadt Jena preschte bislang als einzige vor. Ministerpräsident Söder hält eine solche Pflicht für Bayern nicht ausgeschlossen. Auch könnte es sein, dass diese Pflicht in allen Bundesländern durchgesetzt wird. Dem steht die Frage entgegen, ob es tatsächlich genug Atemschutzmasken für die gesamte Bevölkerung gibt. Bereits jetzt gestaltet sich der Erwerb solcher Schutzmasken sehr schwierig. Die Nachfrage zu dem Produkt übersteigt das verfügbare Angebot solcher. Die vorhandenen Schutzmasken werden weitestgehend in Heilberufen eingesetzt, was selbstverständlich immens wichtig ist.
Woher nehmen? Basteln!
Aufgrund des mangelnden Angebotes an Schutzmasken, stellen viele diese nun selbst her. Es gibt eine Vielzahl von Tutorials, wie man diese Schutzmasken selbst herstellen kann. Einer eigenen Herstellung für sich selbst und den privaten Bereich, wie Familie und Freunde, steht nichts entgegen. Anders gestaltet sich dies, wenn man die selbsthergestellten Schutzmasken an Dritte gewerblich vertreibt bzw. verkauft.
Privat = safe, Verkauf & Werbung = Problem!
Denn, es stellt sich die Frage, ob ein selbsthergestellter Mundschutz auch eine „Atemschutzmaske“ ist. Denn eine Atemschutzmaske ist ein medizinisches Produkt. Medizinische Produkte unterliegen dem Medizinproduktgesetz (MPG).
Wir möchten Ihnen hier einmal kurz die Voraussetzungen für den gewerblichen Vertrieb von Atemschutzmasken, welche die Verbreitung von Erregern verhindern sollen, darstellen:
Mundschutz = Atemschutzmaske?
Atemschutzmasken unterliegen, sofern sie als Medizinprodukt deklariert werden, gem. § 19 ff. MPG der Pflicht, dass sie vor der Bereitstellung auf dem Markt eine klinische Leistungsbewertung durchlaufen müssen. Weiter bedarf es einer CE-Kennzeichnung. Diese CE-Kennzeichnung wird nur vorgenommen, wenn das angebotene Produkt den Anforderungen gem. § 7 MPG standhält und erfolgreich ein Konformitätsbewertungsverfahren durchläuft. Als zusätzliche Anforderung muss das Produkt eine Gebrauchsanleitung enthalten sowie den Namen und die Anschrift des „Herstellers“. Selbstverständlich muss jeder Hersteller seine gewerbliche Tätigkeit auch behördlich gem. § 25 Abs. 1 MPG anzeigen.
Infektionsschutzwirkung vorhanden?
Äußerst problematisch ist bei der eigenständigen Herstellung von Atemschutzmasken daher, dass sie den o.g. medizinproduktrechtlichen Voraussetzungen nicht entsprechen und die Händler jedoch durch das Tragen dieser Schutzmasken einen gewissen Erfolg versprechen.
Allein vor dem Hintergrund, dass die selbstangefertigten Schutzmasken ohne die Implementierung eines qualifizierten Partikelfilters hergestellt werden, sind diese medizinisch gesehen nicht tauglich, um einen Infektionsschutz zu bieten. Und da die selbstangefertigten Schutzmasken keinen medizinischen Infektionsschutz bieten, erhalten diese auch keine entsprechende CE-Kennung.
Vertreibt ein Händler nun seine Atemschutzmasken und weist in seiner Beschreibung auf einen medizinischen Erfolg hin oder stellt dieses mit einem qualifizierten medizinischen Produkt gleich, besteht die Gefahr einer Abmahnung. Durch diese Beschreibung des Händlers erhält das Produkt eine medizinische Verwendungsbestimmung, was gem. § 3 Abs. 1 MPF das Produkt zu einem Medizinprodukt gedeiht.
Keinen Schutz versprechen!
Äußerst wichtig ist daher, die selbstangefertigten Masken von einer medizinrechtlichen Irreführung zu befreien. Die Masken sollten keine Bezeichnung enthalten, die eine medizinische Relevanz darbieten, also wie oben bereits erwähnt, auf Bezeichnungen verzichten, die den „Erfolg“ einer solchen Maske beschreiben. Sollte Sie nun dennoch Ihren Schutzmasken bestimmte Eigenschaften wie ein Infektionsschutz zuweisen, verstoßen Sie gegen das Täuschungsverbot gem. § 4 Abs. 2 MPG.
Wir raten Ihnen daher an, bei Ihrem Angebot der Masken vor allem das Wort „Schutz“ zu vermeiden, um rechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Denn durch diese Bezeichnung wird dem Dritten angedeutet, dass die selbstangefertigten Masken tatsächlich einen medizinischen Schutz bieten, was jedoch wie oben beschrieben nicht der Fall ist. Sie sind auf der sicheren Seite, wenn Ihre selbstgefertigten Masken unter Bezeichnungen wie z. B.
- „Mund- und Nasenmaske“
- „Mundbedeckung“
- „Behelfsmaske“ anbieten.
Auf die Bezeichnung achten!
Es reicht nicht, wenn in der Beschreibung der angebotenen Maske enthalten ist, dass es sich nicht um ein Medizinprodukt handelt. Vielmehr müsse, wie gerade ausgeführt, die Verschlagwortung geändert werden und das Wort „Schutz“ aus dem Schlagwort entfernt werden. Hier wird auf den objektiven Empfängerhorizont abgestellt, d.h. darauf, was eine dritte Person unter dem Angebot verstehen würde. Es liegt nahe, dass ein Angebot über eine Schutzmaske für einen unerfahrenen Dritten auch einen gewissen Schutz impliziert. Dieser implizierte Schutz ist demnach eine Täuschung und verstößt – wie bereits erwähnt – gegen das Täuschungsverbot.
Vorsicht mit Haftungsausschlüssen!
Auch eine Klausel über einen Haftungsausschluss, welcher durch den Käufer unterzeichnen wird und belegt, dass der Käufer Kenntnis darüber hat, dass es sich um keine medizinische Schutzmaske handelt, behebt diesen Fehler nicht. Dem liegt zugrunde, dass sich dieser Haftungsausschluss nur zwischen dem Verkäufer und Käufer persönlich bezieht. Die Anpreisung eines „Schutzes“ besteht weiterhin und wird auch aufgrund des oben beschriebenen Empfängerhorizontes von einem Dritten angenommen.
Es bleibt daher dabei, dass eine selbstgefertigte Maske rechtlich gesehen nur vertrieben werden kann, wenn sie nicht mit der Eigenschaft, dass sie einen medizinischen Schutz bietet, versehen ist. Sie sind rechtlich auf der sicheren Seite, wenn Sie diese Produktbezeichnung unterlassen. Dies erspart Ihnen eine eventuelle Abmahnung oder gar weitere gerichtliche Schritte, was auch mit einer Ersparnis von Kosten und Zeit einhergeht.
Fazit: Ruhig bleiben
Bis heute ist keine einzige Mundschutz-Abmahnung bekannt geworden. Dabei muss es natürlich nicht bleiben. Ob eine so abmahnende Kanzlei aber langfristig mit der Außenwirkung solchen Tuns glücklich würde, darf bezweifelt werden.
Wenn Sie Masken basteln wollen: Vermeiden Sie das Versprechen von Infektionsschutzwirkung! Und wenn Sie Produkte zum Kauf anbieten und Abmahnungen vermeiden wollen, sollten Sie ohnehin einige Vorkehrungen treffen. Hilfe dabei erhalten Sie bei den Handelskammern, Existenzgründungsberatungen, Rechtsanwaltskanzleien und Behörden.
(Autorin: Madelene Bauer mit Lars Rieck)
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