Corona: Impfprämien
Neben den AHA-Regeln sind Impfungen im Kampf gegen das Coronavirus das wichtigste Instrument. Am 12. Mai wurde mit 1,35 Mio. verabreichten Impfdosen in Deutschland ein neuer Rekord aufgestellt. Noch ist die Impfbereitschaft im Verhältnis zu dem vorhandenen Impfstoff groß. In einer ARD – Deutschland Trend – Umfrage vom Mai 2021 gaben drei Viertel der Befragten an, zu einer Impfung gegen COVID-19 auf jeden Fall bereit oder bereits geimpft worden zu sein. Dies sah zu Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 noch ganz anders aus. Im November 2020 hatten nur 37 Prozent der Deutschen angegeben, sich auf jeden Fall impfen lassen zu wollen.
Auf dem Weg zur Herdenimmunität?
Anfang des Jahres beliefen sich die Schätzungen für das Eintreten der erstrebten Herdenimmunität, die die Pandemie stoppen soll, noch auf einen Anteil von 60 Prozent der Bevölkerung. Inzwischen wird der benötigte Anteil der Geimpften mit 70-80 % prognostiziert. Dies liegt vor allem an den Mutanten. Fraglich ist aus diesem Grund, ob die Herdenimmunität noch erreicht werden kann. Zusätzlich zu den Mutationen, könnten ebenso Impfverweigerer das Ziel vereiteln.
Wichtig ist es daher die Impfbereitschaft weiter aufrechtzuerhalten bzw. sogar zu erhöhen.
Hierzu können neben der Rückgabe von Freiheiten für Geimpfte (Urlaub, Gastro, Sport, Kultur und Unterhaltung) und der Verbesserung des Impfangebots (z.B. Hausarzt, Betriebsarzt) auch finanzielle Anreize (z.B. Impfprämie) beitragen.
Was ist eine Impfprämie?
Gerade die finanziellen Anreize durch Arbeitgeber sind jedoch in rechtlicher Hinsicht und in der Gesellschaft insgesamt umstritten. Eine Prämie für die (Teil-)Impfung durch den Arbeitgeber kann bereits in der Gewährung von Sonderurlaub und Fahrtkosten für den Impftermin oder aber auch in Geld sowie Sachprämien (Gutscheine) bestehen.
Die Vorteile für den Arbeitgeber
- Gesundheit, Vertrauen und Haftung:Gesundheitliche Gefahren für Mitarbeiter/Zulieferer und Kunden/Patienten minimieren. Langfristig schafft dies auch Vertrauen in den empathischen Arbeitgeber und seine Handlungsfähigkeit
- Betriebswirtschaftlicher Schaden:Reduzierung des Risikos von Schließung oder Einschränkung des Betriebes die unvorhersehbar zu Einnahmeverlusten und anfallenden Ausgaben zur akuten Bekämpfung der Situation führen.
- Imageschaden:Vermeidung von Ausbrüchen verhindert negative Berichterstattungen, dadurch bleibt man nicht als „Ausbruchsbetrieb“ in den Köpfen der Kunden und Mitarbeiter.
USA
In den USA gibt es viele Unternehmen, die bereits aktiv für den Impfnachweis Prämien ausloben:
– Ein Krankenhaus in Houston, Texas gewährt 500 US-Dollar für die vollständige Impfung.
– Lidl und Aldi gewähren eine Pauschale von 200 US-Dollar für die Fahrt zum Impfzentrum oder die Betreuung von Kindern.
– American Airlines gewähren ihren Angestellten einen freien Tag und 50 Punkte, die in Flugmeilen umgewandelt werden können.
– Amazon gewährt vollständig geimpften Mitarbeitern, die im engen Kundenkontakt stehen, 80 US-Dollar.
– McDonald’s zahlt Angestellten nach der Impfung, vier Stundenlöhne.
– Die etwas andere Impfprämie: Cannabis-Aktivisten, die die Legalisierung der Droge im Bundesstaat New York feierten, verschenkten und verteilten ca. 1.500 Joints an Geimpfte.
Ist eine solche Impfprämie in Deutschland ebenfalls zulässig?
Auf der einen Seite wird angeführt, dass Impfprämien gegen das Maßregelverbot des § 612 a BGB und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnten, insbesondere wird auf die bisher zurückhaltende Rechtsprechung bezüglich der Vorenthaltung von Sonderleistungen für lediglich bestimmte Arbeitnehmer (vgl. Naber/Schulte, 2021, 81 ff.) und das Zustimmungserfordernis des Betriebsrates nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG verwiesen.
Auf der anderen Seite wird mit der Impfprämie eine besondere Leistung des Arbeitnehmers honoriert, zu der er nicht verpflichtet ist. Er gibt eine grundrechtlich geschützte Position auf, weshalb sollte es dafür nicht einen Ausgleich geben?
Gleichheitsgrundsatz
Der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG stellt grundsätzlich ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat dar, allerdings gelten die Grundrechte mittelbar auch zwischen einem Bürger (Arbeitnehmer) und einem anderen Bürger (Arbeitgeber). Es wird von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gesprochen. Diese entfaltet sich erst in der gerichtlichen Kontrolle, denn durch die Bindung des Gerichts an die Grundrechte, welche sich aus Art. 1 III GG ergibt, kommt es zur Relevanz der Grundrechte im privatrechtlichen Streit.
Um einer gerichtlichen Kontrolle Stand zu halten, ist daher der Gleichbehandlungsgrundsatz als Maßstab für die rechtliche Wertung von Impfprämien zu beachten. Mittelbar verbietet er dem Arbeitgeber daher in seinem Betrieb einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von Begünstigungen auszunehmen oder ihnen Belastungen aufzuerlegen (BAG v. 26.10.1994, 10 AZR 109/03). Ein rechtlicher Grund wird immer dann angenommen, wenn die Verwehrung der Begünstigung “auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen [beruht] und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen [wird]” (BAG v. 18.9.2001, 3 AZR 656/00).
Als sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von geimpften und nicht geimpften Arbeitnehmern lässt sich der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter, Kunden und der Gesellschaft heranführen. Ebenfalls entspricht eine Impfung auch den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers und durch Schaffung eines finanziellen Anreizes kommt der Arbeitgeber auch seinen Fürsorgepflichten nach.
Ein weiterer sachlicher Grund ist die Empfehlung der Corona Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO).
Es ist daher davon auszugehen, dass zum Schutz der Arbeitnehmer, der Allgemeinheit und des Betriebs, das Arbeitsrecht den Unternehmen grundrechtskonform gestatten kann, ihren Angestellten Vorteile für die Impfung gegen Corona zu gewähren. Wichtig ist jedoch ein klar durchdachtes System bei der Ausgestaltung der Impfprämien.
Ein Beispiel für eine Belastung mit rechtlichem Grund ist z.B. § 4a EZFG, der eine Kürzung von Sondervergütungen für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ermöglicht. Dieser soll die geringe Anzahl von Krankheitstagen honorieren.
Aus Gesichtspunkten des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann eine Impfprämie daher ein aus dem Arbeitsverhältnis begründeter Anreiz für die Arbeitnehmer und ein sachlicher Grund für eine Sonderzahlung sein. Demnach müsste eine Impfverweigerung spiegelbildlich wiederum ein sachlicher Grund sein, solche Arbeitnehmer von der Zahlung der Impfprämie auszunehmen.
Gerade bei der Regelung des § 612a BGB und § 16 AGG sind die obigen Erwägungen anzuführen. Sie zielen darauf ab, dass Arbeitnehmer “bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht [benachteiligt werden dürfen], weil sie in zulässiger Weise [ihre] Rechte [ausüben]”. Die Nichtgewährung einer Impfprämie bei der Verweigerung der Impfung könnte entsprechend gegen das Maßregelverbot des § 612 a BGB verstoßen, allerdings ist dies wohl auf Einzelfälle zu beschränken, weshalb es besonders wichtig ist, das Prämienmodell sorgfältig auszuarbeiten, um nicht gegen § 612a BGB zu verstoßen oder eine Benachteiligung nach § 16 AGG zu begründen.
Von einer grundsätzlichen Zulässigkeit einer Impfprämie ist unserer Meinung nach auszugehen. Dennoch besteht ein Risiko von Gegenwehr durch Arbeitnehmer, die nicht begünstigt werden und die Prämie (und gegebenenfalls Schadensersatz) einklagen wollen.
Ab dem 7. Juni soll die Impfung nach Priorität aufgehoben werden, weshalb vor allem Klagen auf die Gewährung der Impfprämie von Arbeitnehmern, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, Schwangeren und Arbeitnehmer, die eine Impfung, wie generelle medizinische Behandlungen wegen ihres religiösen Glaubens ablehnen, in Betracht.
Betriebsrat
Die Einführung einer Impfprämie ist als Frage „der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung“ einzustufen, welche nach § 87 I Nr. 10 BetrVG eine Mitbestimmung des Betriebsrats voraus setzt. Möglich wäre es, dass vereinzelt gegen eine Einführung einer Impfprämie durch Betriebsräte mit dem Argument gestimmt wird, dass eine Ungleichbehandlung, wie in den obig genannten Beispielen, den Betriebsfrieden stört.
Deutschland
Die Bedenken scheinen die 30-DAX Unternehmen zu teilen. Bisher lehnen alle laut einer vom „Handelsblatt“ durchgeführten Umfrage die Einführung von Impfprämien ab. Vor allem wolle man keinen Druck auf die Kollegen ausüben und statt auf finanzielle Anreize weiterhin auf die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer für die Gesundheitsvorsorgemaßnahmen setzen.
Selbst Aldi hat sich in Deutschland bisher gegen eine Impfprämie entschieden, aber dafür arbeitet die Schwarz Gruppe zu der die Rewe sowie die Penny Märkte gehören an einem Konzept und steht „derzeit […] mit dem Betriebsrat in Gesprächen, ob und in welcher Form [sie] einen zusätzlichen Impfanreiz für [ihre] Mitarbeiter schaffen können“.
In Deutschland war Edeka Nord das erste Unternehmen, das eine Prämie anbietet, sofern der Mitarbeiter zur Prioritätsgruppe gehört. Die geimpften Angestellten erhalten einen Einkaufsgutschein in Höhe von 50 Euro. Das Unternehmen berichtet von positiven Reaktionen der Mitarbeiter.
Ausblick
Die Zahlung einer Impfprämie ist grundsätzlich zulässig. Zu beachten ist dabei, dass es Arbeitnehmer gibt, die sich nicht impfen lassen können. Wird eine Impfprämie eingeführt, dann darf die Gewährung nicht gegen das Gleichbehandlungs- und das Maßregelverbot verstoßen. Die nächste Zeit wird zeigen wir hoch die Akzeptanz der Mitarbeiter, Betriebsräte und vor allem der Gerichte für die ausgearbeiteten Konzepte der Impfprämien ist.
Patricia Hauto LL.M.
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